Eine Geschichte der Halbherzigkeiten

Emden. Die beiden Pelzerhäuser haben eine Geschichte, die rund 500 Jahre zurückreicht. Klar, dass in dieser langen Zeit viel passiert ist mit diesen Gebäuden, die an der ersten Straße Emdens stehen, der Pelzerstraße. Aiko Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Ostfriesischen Landesmuseum, der in Aufsätzen im Emder Jahrbuch über die Häuser publizierte, hatte die Quintessenz seiner Nachforschungen als Vortrag zusammengefasst, den er im Rahmen der Dienstagsrunde von 1820dieKUNST im Rummel des Rathauses am Delft vorstellte.

Der Rummel war beim Vortrag im Rahmen der Dienstagsrunde von 1820dieKUNST mit Besuchern gut gefüllt. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Das Thema interessierte, und so war der Saal wohlgefüllt, als Schmidt loslegte. Der Vielzahl der genannten Mieter und Eigentümer, die der Referent in akribischer Detailversessenheit zusammengetragen hatte, konnte man irgendwann nicht mehr folgen. Doch wurde deutlich, dass die beiden Häuser bis in die Gegenwart immer bewohnt waren, zum Schluss unter höchst unwürdigen Bedingungen. Unter diesen Umständen kam es zu einem Brand, der zwei Todesopfer forderte. Die Brandspuren, so zeigte Schmidt anhand von Bildern, seien immer noch auf dem Dachboden zu sehen.

Referent Aiko Schmidt während seines Vortrags

Was dann passierte, gehört weniger zur Geschichte als zu einer Gegenwart, die bis heute nicht weiß, was man eigentlich mit den Häusern anfangen soll. Sie kamen beide in den Besitz der Kommune. Und damit begann das wahre Elend. Wenn ein Gemeinwesen keine Ideen hat, was alles man mit historischer Bausubstanz anstellen kann, dann entwickelt sich ein Hin und Her, das zu rein gar nichts führt. Dafür, so zeigte Schmidt, sind die Pelzerhäuser ein nachdrückliches unschönes Beispiel. Sollen sie Wohnhaus werden oder Galerie oder beides? Soll hier ein Magazin entstehen oder das Stadtarchiv einziehen? Will man eine Teestube oder ein Restaurant vorhalten?

Viele Fragestellungen, so Schmidt, wurden aufgeworfen, aber nie konzeptionell beantwortet. Die Pelzerhäuser schlidderten durch Missverständnisse, Verwerfungen, Streitigkeiten, Uneinigkeiten. Mal sollten sie erhalten werden, mal wollte man sie abreißen. Denkmalschutz und Verwaltung lagen in beständigem Streit. Die Meinung von heute wurde morgen umgestoßen und durch eine neue ersetzt, je nachdem, wie es den Protagonisten gefiel. Ein Gutachten nach dem nächsten wurde angefertigt und wieder verworfen.

Blieben als einzige Häuser in der Pelzerstraße stehen: die Häuser 11 und 12 im Jahr 1952. Drei Jahre später steht eine Zeile der leicht versetzten Klunderburgstraße wieder. Hinten die beiden Pelzerhäuser

Schließlich riss man das Pelzerhaus 12 ab – nur die Fassade blieb erhalten. Später stellte sich heraus, dass man das Pelzerhaus Nr. 12 sehr wohl im alten Stil mit dem alten Material hätte wieder aufbauen können. Aber da war die alte Substanz schon entsorgt. Der Wiederaufbau wollte zu viele Nutzungen vereinen: Restaurant, Ausstellungsfläche, zudem einen kleinen Theatersaal im Dachgeschoss. Für alle drei Aufgabenbereiche war die Gesamtfläche zu klein. Halbherzigkeiten verhinderten ein klares Profil.

Und so schilderte Schmidt mit seufzervoller Erinnerung, wie die unglückliche Ausstattung des neuen Pelzerhauses 12 das Einrichten von Ausstellungen buchstäblich zu einem körperlichen Kraftakt machte. Denn Vitrinen ließen sich nicht im kleinen Lift transportieren, sondern nur per Mannkraft über die Treppen schleppen. Auch der Restaurantbetrieb litt unter falscher Planung. Als das Pelzerhaus 11 an die Stadt kam und ausgebaut wurde, war das ein Anhängsel. Die Nummer 11 hat keine Toilette, keinen Lift, keine Teeküche. Die gesamte Versorgung erfolgt über das Haupthaus Nr. 12.

Eine von vielen Planungen für die Pelzerhäuser

Die vielfältigen divergierenden Meinungen und Anweisuungen, eine fehlende Konzeption und eine nicht vorhandene Finanzplanung hätten die Mitarbeiter der Verwaltung schließlich völlig verunsichert. Doch die Versuchung, die Häuser sinnvoll zu nutzen gingen unverdrossen weiter. Kunsthallenstifter Henri Nannen wollte eine Galerie errichten, Dr. Walter Schulz sah die Möglichkeit, die Pelzerhäuser als Gästehaus der Johannes a Lasco Bibliothek zu nutzen. Die Verwaltung wollte Studentenwohnungen bauen. Schließlich gab es die Idee, ein kommunales Gästehaus oder ein schifffahrtshistorisches, eigenständiges Museum einzurichten. Schmidt: „Nur gab es für ein solches Vorhaben überhaupt keine Objekte.“
Die Folge all dieser Vorschläge: In den 90er Jahren existierte immer noch kein schlüssiges Nutzungskonzept. Es blieb beim Restaurant / Teestube und der Dependance des Landesmuseums. Dieses Haus musste allerdings für die Nutzung der Pelzerhäuser bluten: jedes Haus schlug mit 5000 Euro monatlicher Miete zu Buche.

Referent Aiko Schmidt und Organisationsteam: Silke Arends, Gregor Strelow (KUNST-Vorsitzender), Manfred Meyer und Johannes Berg

Dann kam die Zeit der Finanzknappheit. Auch das Landesmuseum musste sparen – und gab die Pelzerhäuser auf. Das war 2016. Seither stehen die Gebäude leer. Es gibt kein Konzept für eine Nutzung. Als Stadtarchiv eigne sich der Komplex nicht, sagte Schmidt. Es gäbe ja keine Versorgungseinrichtungen im Haus Nr.11. Zudem ziehe es Im ganzen Haus, die klimatischen Bedingungen seien schlecht, und ob die alten Häuser die Last der schweren Bücher überhaupt tragen können, sei sowieso fraglich. Die zuletzt von Oberbürgermeister Tim Kruithoff ins Spiel gebrachte Variante, das Haus als neues Emder Standesamt zu verwenden, wurde im Vortrag gar nicht mehr erwähnt.