Eine Zeit lebendig werden lassen

Emden. „Die Zeit der Aufklärung in Ostfriesland“ ist der Titel der neuen Ausstellung der Johannes a Lasco Bibliothek, die am 8. September um 11.30 Uhr im Rahmen einer Sonntagsmatinée eröffnet wird.

Kurator Dr. Klass-Dieter Voß, der selber Kirchenhistoriker ist, hat bei der Umsetzung des Themas díe Theologie und ihre aufklärerischen Vertreter in Ostfriesland als Ausgangspunkt gewählt. Eine Erweiterung der Betrachtung ergab sich unter anderem aus den ungewöhnlichen Lebensläufen der Pastoren. Das sind: Ludwig Roentgen (1755 bis 1814) und Gerhard Julius Coners (1730 bis 1771) auf lutherischer Seite sowie Helias Meder (1761 bis 1825) für die reformierte Position – wobei die Lutheraner die Aufklärung wesentlich radikaler vertraten als die Reformierten, die, bedingt durch ihre niederländische Prägung, eine gemäßigtere Haltung einnahmen.

Kurator Dr. Klaas-Dieter Voß mit dem Porträt des aufklärerischen Pastors Gerhard Julius Coners

Ludwig Roentgen erlernte das Uhrmacherhandwerk, studierte später Theologie, wurde Pastor in Petkum, später in Esens. Er war der Sohn des Kunstschreiners Abraham Roentgen in Neuwied und Mitglied der Emder Freimaurerloge „Pax et Concordia“. In so fern spielen diese beiden Themenbereiche in der Ausstellung eine Rolle. Für die hohe Kunstfertigkeit der Möbel-Manufaktur stehen zum Beispiel drei kleine Schatullen, die unterschiedlichen Zwecken dienten und mit raffinierten Schließmechanismen und Geheimfächern ausgestattet sind.

Naturkunde des 19. Jahrhunderts: Dermoplastik eines Alligators. Als Augen wurden grüne Murmeln verwendet

Gerhard Julius Coners machte eine Apotheker-Lehre, ehe er Theologie im aufklärerisch gesinnten Halle studierte. Er arbeitete als Privatlehrer, begleitete seine Schüler nach London und kam auch dort mit aufklärerischen Tendenzen in Berührung. Einige Bücher seiner rund 5000 Bände umfassenden Bibliothek werden in der Ausstellung vorgestellt.

Kasten mit tropischen Schmetterlingen

Helias Meder war der Vertreter einer gemäßigten biblischen Aufklärungstheologie. Er schuf die vierbändige ‚Openlijke Kerk-Leer der evangeliesch-gereformeerde Gemeente in Emden en Oostfriesland’, die sich auf den Emder Katechismus von 1554 bezieht. Mit seinem Porträt, das in der Ausstellung zu sehen sein wird, verbindet sich eine besondere Geschichte. Denn das Ölbild, das im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts von Willem Bartelt van der Kooi geschaffen wurde, galt als unauffindbar. Voß gelang es durch einen riesigen Zufall, das Gemälde in den Niederlanden ausfindig zu machen und die Eigentümer zu überzeugen, es leihweise nach Emden zu geben. Das besondere ist – neben der Fundgeschichte – die Tatsache, dass Meder auf dem Porträt einen Zettel in der Hand hält, das seine Emder Predigtstätte, die Große Kirche, zeigt.

Mit der Aufklärung gerieten auch die Naturwissenschaften stärker in den Fokus. In der Folge gründete sich in Emden die Naturforschende Gesellschaft von 1814, die noch heute besteht. Aus deren Bestand haben sich zahlreiche Objekte erhalten, die nun in der Ausstellung gezeigt werden. Dazu zählen zahlreiche Schaukästen mit Käfern und Schmetterlingen sowie botanische Sammlungen, daneben aber auch konservierte Tiere, sogenannte Dermoplastiken. Eigens zur Präsentation dieses Bestandes hat die Bibliothek eine große Vitrine im Stil des frühen 19. Jahrhunderts fertigen lassen.

Ebenfalls ein Exponat des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung der Naturforschenden Gesellschaft

Silber aus der Zeit des späten Rokoko und des beginnenden Klassizismus sind in der Silberkammer der Bibliothek ausgestellt. Klaas-Dieter Voß demonstriert die handwerkliche Perfektion der Stücke anhand von Arbeiten der Norder Goldschmiede Hermann Neupert I (1677 bis 1741) und seines Sohnes, Hermann Neupert II (1727 bis 1807). Es handelt sich um Kannen, Zuckerdosierer, eine Salzschale, eine große Silberkelle. Dinge für die gehobene Tafel. „Sie zeigen Zeitgeschmack, aber auch die Lebenssituation und lassen – ebenso wie viele andere Ausstellungsstücke, die Menschen der Zeit lebendig werden“, sagt Voß und erinnert an Ludwig Roentgen, der sein Haus in Esens zum Zentrum schöngeistigen Lebens machte.

► Zur Eröffnung der Ausstellung hat die künstlerische Leiterin der Reihe „Sonntagsmatinée“, Vilma Pigageite, Werke von Johann Sebastian Bach, Carl Philipp Emanuel Bach und Joseph Haydn ausgewählt. Von Bach erklingt die Kantate „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“, BWV 84, von Carl Philipp Emanuel Bach, dem berühmtesten der Bachsöhne, die Triosonate in d-moll, H. 569, Wq 145 und aus Haydns „Schöpfung“ die Arie „Nun beut die Flur das frische Grün“. Ausführende sind: Vilma Pigagaitė (Sopran), Isabel Röbstorf (Barockoboe, Blockflöte), Anna Kaiser (Barockvioline), Miriam Griess (Barockcello) und Torsten Mann (Cembalo).