Vielschichtigkeit einer Epoche

Bagband. „Das romantische Horn“ war ein Konzert im Rahmen des Musikalischen Sommers in Ostfriesland, das in der schönen Kirche von Bagband stattfand. Die war ausverkauft, als Christoph Eß und Boris Kusnezow die Bühne betraten. Die beiden sind Freunde und machten sich nun gemeinsam daran, den Abend mit drei Werken Beethovens zu eröffnen. Besonders stach dabei eine Komposition des deutschen Komponisten und Präsidenten der Akademie der Künste Berlin, Giselher Klebe, heraus, die sich „Veränderungen“ der Mondscheinsonate nannte.

Klavier und Horn: Boris Kusnezow und Christian Eß in Bagband. Bild: Karsten Gleich

Dabei wurde das Tongebäude Beethovens belassen und mit einer Art Fantasie für Horn und Klavier überfangen. Das hörte sich ungemein raffiniert an und wurde von den beiden Musikern mit einem gewissen Genuss vorgetragen – so als delektierten sie sich selber an der findigen Zusatz-Komposition.

Umrahmt war die Klebe-Veränderung von der Sonate für Klavier und Horn F-Dur op. 17, offenbar ein viel und gern gespieltes Werk der beiden, bei dem Eß nicht einmal mehr auf Noten zurückgriff. Bildschön entwickelte sich schließlich der Gedichtzyklus „An die ferne Geliebte“, wobei – obwohl das Horn etwas zu laut war – die Entfaltung der Musik keinesfalls gehemmt wurde. Die Kirche mit ihren hölzernen Bänken, der bemalten, ebenfalls hölzernen Orgelempore und den zahlreichen hölzernen Kunstwerken – darunter eine Mondsichelmadonna, die mit begleitenden Engeln mitten im Raum hängt – boten genügend Material, um den Klang von Horn und Klavier auszutarieren.

Robert Schumanns „Adagio und Allegro op. 70“ war am Vorabend in Backemoor von Klavier, Viola und Klarinette gespielt worden. Nun also mit Klavier und Horn. Arrangement gegen Originalbesetzung. Da konnte man ins Schwärmen geraten – und das galt für beide Varianten und entsprechend auch für die Durchführenden.

Carl Reinecke, Gewandhaus-Dirigent und Pianist, schrieb mit „Notturno für Horn und Klavier“ ein sehr eingängiges Werk, das allerdings von Rheinbergers „Sonate für Horn und Klavier Es Dur“ deutlich übertroffen wurde, da das Horn hier eine spannungsvollere Aufgabe erhält, die Eß mit Geschick und Geschmack füllte.

Von beginnenden romantischen Strukturen bis hin zu den Epigonen führte die Reise von Kusnezow und Eß und vermittelte dabei mittels sehr formvollendeter Beispiele die ganze Vielschichtigkeit einer Epoche.