Nichts als Bücher

2. Teil

Emden. Das Buch hat heute immer noch einen hohen Stellenwert. Daher sind Empfehlungen für bestimmten Lesestoff eine Leidenschaft der Mitglieder der „Gesellschaft der Freunde der Johannes a Lasco Bibliothek“. Vorstandsmitglied Klaus Frerichs (JaLB) sammelt diese zumeist kurzen Empfehlungen und veröffentlicht sie in regelmäßigen Abständen – als Tipp von Mitgliedern für Mitglieder. Mitarbeiter der Johannes a Lasco Bibliothek (JaLB) schließen sich dem kleinen Projekt in der Adventszeit an. Da diese Empfehlungen ein höchst spannender und unterhaltsamer Gang durch die Literatur- und Sachbuchszene sind, sollen sie nun in der Vorweihnachtszeit einem größeren Kreis zugängig gemacht werden.

Ewa Emery (Emden, JaLB) empfiehlt: Szczepan Twardoch „Morphin“, übersetzt von Olaf Kühl, rowohlt-Verlag, ISBN: 978-3-499-23825-3, 592 Seiten. 12,99 Euro

Du stehst am Ufer eines Flusses, um Dich herum Stille voller Erwartung, und plötzlich wirst Du eingesogen, tauchst unter in die Romanwelt von „Morphin“, schnappst nach Luft, staunst, empörst Dich; es packt Dich Wut und Du bist enttäuscht … und dann wieder hast Du Mitleid mit dem jungen Mann, Konstanty Willeman, zwischen zwei Nationen gestellt und darin gefangen, von Alkohol und Drogen beherrscht, hineingeboren in eine Gesellschaft, die ihn gleichzeitig verwöhnt und vernachlässigt hat, egoistisch und heroisch, identitätslos und selbstsicher. Ganz verschieden von den Helden, die man kennt: ein Antiheld. Ein anderer, nüchterner Blick auf die Geschichte Polens zu Anfang der Okkupationszeit 1939. Szczepan Twardoch weiß virtuos alle Register der Sprache zu ziehen, auch sein Übersetzer. Beklemmend. Kein Buch für sanfte Gemüter. Absolut lesenswert.


Albert Riddermann (Emden) empfiehlt: Edgar Selge „Hast du uns endlich gefunden“, rowohlt-Verlag, ISBN: 978-3-498-00122-3, 304 Seiten, gebunden 24 Euro, auch als Hörbuch erhältlich

Viel zu lachen gibt es nicht in dieser Autobiographie mit romanhaftem Anteil. Erzählt wird überwiegend aus der Sicht des 12jährigen Edgar. Der Vater ist Direktor eines Jugendgefängnisses, der als erfolgreicher Pianist Hauskonzerte für seine Insassen gibt und sich auch sonst um eine Re-Integration der Häftlinge bemüht. Aber dieser Vater hat auch eine Nazi-Vergangenheit und bestraft die „Missetaten“ seines Jungen mit derben Schlägen, die Edgar wohl spürt, aber nicht versteht.
Edgar bleibt weiter auf der Suche nach der Liebe seines Vaters. Zwei seiner Brüder sterben. Rainer durch einen schrecklichen Unfall. Den Tod des jüngeren Bruders Andreas schildert das Schlusskapitel „Gespräch mit meinem verstorbenen Bruder“. Ein großartiges Buch, aber zu „O du fröhliche“ passt es wohl nicht.

Ingrid Weitzel (Emden) empfiehlt: Anne Griffin „Ein Leben und eine Nacht“, übersetzt von Martin Ruben Becker, Kindler-Verlag, ISBN 978-3-499-27515-9, 320 Seiten, 20 Euro

In einer irischen Kleinstadt sitzt ein alter Herr in der Bar eines Hotels und lässt sein Leben Revue passieren. „Ich bin hier um mich zu erinnern… an alles, was ich gewesen bin, an alles, was ich nie sein werde“. Er wird fünf Mal anstoßen auf Personen, die in seinem Leben von besonderer Wichtigkeit waren. … Ein Buch, das einmal mehr Vorurteile und vermeintlich sicheres Wissen korrigieren und in einer Weise klären, dass ich als Leserin dieses Werk schlecht aus der Hand legen konnte.






Hans-Albin Jacob (Emden) empfiehlt: Harald Meller, Kai Michel „Die Himmelsscheibe von Nebra“, Propyläen Verlag, ISBN 978-3-549-07646-0, 384 Seiten, gebunden 25 Euro, als Taschenbuch 16 Euro

Ein eindeutiger Weihnachtsgeschenks-Tipp! Dieses Sachbuch befasst sich mit einem der bedeutendsten archäologischen Funde. Es ist ein Sachbuch, liest sich aber in wesentlichen Teilen wie ein Krimi. Die Himmelsscheibe, Alter 3600 Jahre, Bronzezeit, hat die Größe einer Langspielplatte und besteht aus Bronze, die Himmelskörper (Sonne/Mond, Sterne, Mondsichel, Horizontbögen…) bestehen aus Gold. Sie ist die erste konkrete Darstellung des Kosmos, wie man sie eigentlich nur in Hochkulturen zu wissen glaubt. Die Menschen in Mitteldeutschland erkannten schon vor 3600 den Sternenlauf und entwickelten daraus einen Kalender (mit Schaltjahren usw.).

Das Kriminalistische ergibt sich aus der Art des Fundes in Nebra bei Halle durch zwei ahnungslose Raubgräber. Auf komplizierte Weise (Hehlerei usw.) gelangt sie schließlich in die Hände von Harald Meller, dem Landesarchäologen in Halle. Immer wieder wurde/wird die Echtheit der Scheibe angezweifelt. Durch komplizierte vor allem chemische Untersuchungen wurde ihre Echtheit bestätigt. Aus der differenzierten Darlegung der chemischen Untersuchungen ergibt sich für mich, einem „Analphabeten“ auf dem Gebiet der Chemie, eine Einschränkung: Dieser Teil bereitete mir beim Lesen Probleme, ich habe ihn (zugegeben) überschlagen.